Jean-Hugues Busslinger

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Die US-Stadt, die alles privatisiert

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Sandy Springs hat bis auf Polizei und Feuerwehr alles ausgelagert – mit Erfolg

Kinder wippen auf der Spielplatzschaukel, Mütter und Väter unterhalten sich auf einer Parkbank, ein Streifenwagen der lokalen Polizei fährt vorbei. Auf den ersten Blick präsentiert sich Sandy Springs wie eine beliebige amerikanische ­Kleinstadt – eher etwas adretter, aufgeräumter, moderner. Die breiten Strassen sind sauber und in gutem Zustand. In einem wesentlichen Punkt aber unterscheidet sich Sandy Springs markant von anderen Orten in den USA: Die Stadt ist priva­tisiert – buchstäblich. 

Gastbeitrag von Christoph Buser* auf Tages-Anzeiger online vom 12. August 2014

Das gilt für sämtliche Belange des öffentlichen Lebens, von der Stadtverwaltung über die Schulen bis zu den öffent­lichen Parks (für die Sandy Springs sogar begehrte Preise erhalten hat). Auch der ­Strassenunterhalt wurde einem privaten ­Spezialisten übergeben.

Die im Jahr 2005 gegründete knapp 100'000 Einwohner zählende Stadt in Fulton County im US-Bundesstaat Georgia hat bis auf Polizei und Feuerwehr sämtliche öffentlichen Aufgaben ­ausgelagert. Was beinahe undenkbar wirkt – insbesondere für Europäer –, entpuppt sich als bestechende Lösung für die finanziellen Probleme der öffentlichen Hand in weiten Gebieten der USA. Während andere Städte an ihren Schulden langsam zugrunde gehen, hat Sandy Springs keine langzeitlichen Verpflichtungen. Das sagt Eva Galambos, bis 2013 Stadtpräsidentin von Sandy Springs, in einem Interview mit Reason TV, einem libertären Magazin.

Einige wenige klare Grundlagen

Die Geschichte von Sandy Springs ist aussergewöhnlich. Noch vor neun Jahren handelte es sich nämlich gar nicht um eine selbstständige Stadt, obschon es bereits in den 1970er-Jahren Diskussionen über eine kommunale Selbstverwaltung gab. Dies nachdem Georgias Hauptstadt Atlanta versucht hatte, den Ort einzugemeinden. Laut Galambos wurde man während Jahren aus Atlanta via Fulton County regiert. «Wir aber wünschten uns mehr Kontrolle, eine stärkere Stimme, und vor allem wollten wir, dass mehr von unseren Steuergeldern auch lokal eingesetzt ­werden», so Galambos. In einem Referendum stimmten am 21. Juni 2005 mehr als 93 Prozent für die kommunale Selbstverwaltung. Was danach kam, nimmt sich aus wie ein radikal-liberales Experiment. Die Stadt beschloss, sich auf einige wenige klare Grundlagen zu stellen: tiefe Steuern, erstklassiger Service, vernünftige Preise.

Um dies zu erreichen, setzte die Stadt voll auf die Privatwirtschaft. Oliver W. Porter, langjähriger Einwohner von Sandy Springs und Autor zweier Bücher («Creating the New City of Sandy Springs, The 21st Century Paradigm: Private Industry», 2006; «Public/Private Partnership for Local Governments», 2008), bezeichnete im TV-Beitrag dieses Konzept als eine Notwendigkeit bei der eigentlichen Gründung der Stadt im Dezember 2005: «Wir verfügten schlichtweg nicht über genügend Mittel und Mitarbeiter.» So schloss Sandy Springs mit einem Generalunternehmen einen Vertrag, lagerte Strassenwesen, Unterhalt der Parks und auch Abfallentsorgung aus – selbst die Verwaltung ist privatisiert. Bereits im ersten Jahr zeigte sich der Erfolg. Das private Unternehmen erledigte den Job für die Hälfte des Preises, der in vergleichbaren US-Städten für die gleichen Aufgaben anfällt. Das erlaubte es Sandy Springs, die finanziellen Mittel klug zu investieren.

So wurden seit 2005 diverse neue Parks und Kinderspielplätze erstellt und weit mehr als 100 Kilometer Strassen ausgebaut. Besonders stolz ist man auf das Verkehrskontrollsystem. Die ­Verkehrsleitzentrale ist von höchster Qualität und befindet sich auf dem allerneusten Stand. Wie die Verantwortlichen sagen, trage es massiv zur ­Stauvermeidung bei. Laut Schätzungen hat dies Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern sowie der Wirtschaft in den vergangenen Jahren Millionen Dollar an Kosten erspart.

Ersparnisse fallen auch bei der Altersvorsorge an. Anders als viele andere US-Städte ist Sandy Springs nicht in die sogenannte Pensionsfalle geraten. Galambos sagt, dass von Anfang an klar war, hier besonders stark den Hebel anzusetzen. Statt vordefinierte Pensionsleistungen zu versprechen, wurde beschlossen, den Angestellten die Möglichkeit zu geben, Geld attraktiv in Sparkonten anzulegen. Ohne den Sturm, der sich aufgrund der desolaten Lage vieler Pensionskassen in anderen US-Städten am Horizont abzeichnet, kann Sandy Springs Gesundheitsversorgung und Rettungskräfte anbieten wie kaum ein anderer Ort.

Gute Verträge sind wichtig

Trotz der Investitionen konnten die Steuern tief gehalten werden. Das Budget ist auch für 2015 ausgeglichen. Und dies in einer Zeit, in der ringsherum Steuern und Abgaben angehoben und Leistungen gekürzt werden. Das Privatisierungsprogramm in Sandy Springs ist offensichtlich erfolgreich verlaufen. Könnte es auch andernorts durchgeführt werden, in Städten, die nicht erst seit 2005 selbstständig sind? Porter verweist auf die Politik. Man habe es in der Regel mit gewerkschaftlich organisierten Staatsangestellten zu tun. Diese seien von Natur aus gegen Privatisierungen. Niemand habe gerne Änderungen, räumt auch Galambos ein, «aber wenn eine Stadt vor dem Bankrott steht, braucht es vielleicht ein paar Änderungen».

Die Geschichte der US-Stadt, die fast alles ­privatisiert hat, lässt sich nicht 1:1 auf uns ­übertragen. Das ist auch gar nicht notwendig. ­Vieles, was Sandy Springs erfolgreich gemacht hat, haben wir bereits umgesetzt: Zahlreiche öffentliche Aufgaben sind weit unten im Staat angesiedelt. Bundesbern mischt sich vergleichsweise wenig ein. Die Kantone geniessen grosse Souveränität. Viele Entscheide werden in den Gemeinden gefällt. Es hat sich bewährt, dass über Ausgaben dort entschieden wird, wo sie anfallen. Zudem arbeiten viele Verwaltungen bei uns durchaus effizient, insbesondere im Vergleich zum Ausland. Aber möglicherweise können wir doch eine Lehre aus dem Experiment Sandy Springs ziehen: Der Staat bringt nur in den ­seltensten Fällen effizientere und günstigere ­Strukturen. Gute Verträge mit Privaten bringen in der Regel bessere Lösungen zu tieferen Kosten.

*Christoph Buser ist FDP-Landrat des Kantons Basel-Landschaft und Direktor der Wirtschaftskammer Baselland. Der Artikel erschien auch in der Basler Zeitung und in der Berner Zeitung online.

Quelle: www.tagesanzeiger.chAutor: Christoph BuserDatum: 12. August 2014

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